Auf Streifzug mit den letzten Waldnomaden Borneos

TEXT & FOTOS: Claudio Sieber

Seit Generationen streifen die indigenen Penan durch ein unvergleichbares Ökosystem. Bis die Planierraupen ausschwärmen. Ihre langwierige Fehde mit Holzmafia und Malaysias Regierung wurde weltberühmt. Nur noch ganz wenige halten an ihrem ursprünglichen Lebensstil fest. Claudio Sieber auf der Spur der letzten Waldnomaden Borneos.

Flughafen Miri, nördliche Küstenstadt vom malaiischen Bundesstaats Sarawak. Lustige Äfflein, dichter Dschungel und festlich verkleidete Ethnie-Models; die Reklamen der Tourismuslobby versprechen bereits während dem Gang zur Gepäckannahme ein Bilderbuch-Borneo. Dramaturgisch wird der Gast auf den Zauber vorbereitet. Ja allerdings, auch ich würde gern verzaubert werden, doch hatte ich die Show bereits während meinem letzten Besuch vor sechs Jahren durchschaut. Die Stereotypen aller Reiseländer werden genährt von ausgefeiltem Destinationsmarketing, von Tourismusprofis, unterbezahlten (oder gesponserten) Journalisten sowie den Erzählungen der Dagewesenen. Dabei ist jede Story eine Erfindung, jedes Ich, das sich ausspricht, eine Rolle. Borneo ist eine besonders harte Knacknuss für Schreiberlinge. Soll ich den Stadtneurotikern von dramatischen Sonnenuntergängen, bumsfidelen Primaten und wucherndem Grün vorschwärmen? Verheimlichen, dass innerhalb der 125.000 Quadratkilometer Sarawaks gerade mal neun Prozent des wuchernden Grüns übrig ist und der Großteil bumsfideler Primaten vom Dschungel bereits in kontrollierte Zufluchtsorte weggekarrt wurde (wahrscheinlich während eines dramatischen Sonnenuntergangs)? Ach, könnte ich doch wie andere Unbekümmerte im gediegenen Vier-Sterne-Resort einchecken und die Spaziergänge durch den rollstuhlgängigen Dschungel mit einem Tequila Sunrise ausklingen lassen. Ja, das wäre fein. Wer bis dato nicht über den Ausverkauf der Lunge unseres Planeten klagt, dem wird während einer Expedition in Asiens größtem Eiland genügend Stoff zum Nachdenken serviert. Auf dieser neuerlichen Tour stelle ich mir jedoch die Frage, wie es den Penan ergangen ist, den verbleichenden Waldnomaden Borneos. Konnten zumindest einige ihre kulturelle Identität, allem voran das Nomadentum, trotz apokalyptischem Waldmord in die Neuzeit retten?

Die Penan ringen längst nicht mehr solo um ihren Lebensraum. Ihnen hilft eine Schweizer Organisation. Anno 1963, Sarawak gehört neu zu Malaysia. Kuala Lumpur schickt seine Repräsentanten und Anwälte ins ressourcenreiche Gunung Mulu vom Ex- Königreich. Der hiesige Chef der Penan wird zum runden Tisch mit Repräsentanten und Anwälten der malaiischen Regierung gebeten. Man möchte zwecks Forschungsstudie ein Stück Land der Ethnien abzwacken. Eine Offerte folgt, doch der Rudelführer lehnt ab, das Gebiet sei ihr «Supermarkt», es sichert ihr Überleben. Der Staatstross schießt leere Versprechungen nach und bietet finanzielle Vorzüge für den Unterschriftsberechtigten. Der Chef fügt sich, sein Sohn geht ins Ausland studieren. 1977 fliegt die Royal Geographical Society ein. Mit an Bord, 100 Forscher aus aller Herren Ländern, unter anderem der Basler Ethnologe und Umweltaktivist Bruno Manser. Nach 15 Monaten ziehen die Forscher wieder ab, Bruno verweigert den Rückflug und hackt sich durch den Regenwald, auf der Suche nach den nomadischen Penan. Sieben Jahre später ist er einer von ihnen, pustet Dartpfeile durch ein Blasrohr, trägt außer den traditionellen Rattan-Bändern an den Unterschenkeln sowie Vorarmen nicht viel am Körper, und hört neu auf den Nimbus „Laki Penan“ (der Penan-Mann). Mittlerweile waren auch die aufdringlichen Planierraupen fleißig. Ab 1985 verliert Borneo jedes Jahr etwa 860.000 Hektar Wald« (…)

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