Spuren, die vergehen
TEXT: Sissi Pärsch
FOTOS: Max Draeger
Die Fanggekarspitze ist kein Arlberg-Klassiker. Sie ist kein schimmerndes Massiv wie die Rote Wand, keine Ikone wie die Valluga. Vielleicht wirkt sie gerade deshalb so anziehend auf den Local-Freerider Simon Wohlgenannt. Er hat sie lange beobachtet, lange studiert und sich langsam angenähert, bevor er seine Spur in ihre Flanke zeichnete.
Was ist der Kern des Freeridens? „Das Spiel mit den Elementen“, meint Simon. „Für mich spielt dabei auch Kreativität eine wichtige Rolle.“ Kreativität? „Ja, du suchst einen Hang, einen ästhetisch schönen Hang, in den du deine eigene Spur zeichnest. Verspielt, rhythmisch, im Einklang mit den Gegebenheiten.“ Aufspüren, hineinspüren, Spuren legen.
Simon Wohlgenannt ist Freeride-Guide, staatlich geprüfter Skilehrer, Skiführer, seit kurzem Buchautor und ein sehr geduldiger Mensch. Am Arlberg kennt er vieles. Sehr vieles. Aber die Nordrinne der 2.640 Meter hohen Fanggekarspitze hält sich bedeckt. „Es ist ein faszinierender Berg mit einer sehr coolen Flanke. Ich habe so oft rübergeschaut und mich gefragt, ob es über die exponierte Rampe oben einen Weg in die nordseitigen Rinnen gibt und man durchgehend abfahren könnte.“
Am Arlberg neue Spuren zu legen ist nicht einfach. Er ist alles andere als ein unbefahrenes Terrain. Die Wiege des Skifahrens, the Home of Ski Bums. „Aber wenn man es anders angeht, gibt es noch viel zu entdecken“, meint Simon. „Mir geht es nicht um die steilste, höchste, längste Abfahrt oder ums Höhenmetersammeln. Mich treibt vielmehr die Neugierde, das Erkunden und die Vorstellung, eine besondere Spur zu legen.“ Eine Spur, die vergänglich ist. Eine Spur, die bald neuer Schnee bedeckt, der Wind verbläst oder die Sonne zum Schmelzen bringt. In der Natur ist nichts für die Ewigkeit. In der Natur ist alles in Bewegung. Die Natur ist lebendig. Und am schönsten ist es, wenn man sich als Mensch in und mit ihr bewegt. Simon muss es wissen. Er hat Biologie studiert, „die Wissenschaft des Lebendigen“.
„Wer selbst noch lange lebendig sein möchte“, sagt Simon, „und ein alter Freerider werden will, der muss auch Grenzen anerkennen können.“ Die persönlichen Grenzen, die Grenzen des Naturschutzes wie auch die naturgegebenen Grenzen. « (…)
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