Fish ’n‘ Bears

TEXT: Günter Kast

FOTOS: Günter Kast & Nate Morris/ Royal Wolf Lodge

Die Royal Wolf Lodge im Katmai-Nationalpark im Südwesten Alaskas ist zwar vor allem bei Fliegenfischern bekannt. Doch wer möchte, bekommt es hier auch mit ausgewachsenen Grizzlys zu tun – und das gleich im Dutzenderpack.

Gleich am ersten Morgen brechen wir mit dem Wasserflugzeug zu einem namenlosen Bergsee auf, aus dem der American River entspringt. Wir wollen den 64 Meilen langen Fluss drei Tage lang mit dem Raft befahren, mit der Fliegenrute fischen und am Ufer campen. Weil die Moskitos in diesem Sommer besonders aggressiv sind, trage ich zum ersten Mal in meinem Leben ein optisch wenig vorteilhaftes Kopfnetz. Hier ist es die einzige Option, will man nicht binnen Stunden einen Nervenzusammenbruch erleiden. Mit von der Partie ist neben Nate Morris sein Guide McKinley, der so heißt, weil seine Eltern passionierte Bergsteiger sind. „Zum Glück sind sie nicht Fliegenfischer“, unke ich: „Sonst hätten sie dich Regenbogenforelle oder Äsche genannt.“ McK hätte vermutlich nichts dagegen gehabt. Er war lange nicht mehr am American und freut sich wie ein Schnitzel auf den Float-Trip, genauso wie Nate, der als Lodge-Boss nur noch selten selbst zum Fischen kommt.

Gleich auf den ersten Flusskilometern wird klar, warum Nate zu diesem Fluss wollte. Die Szenerie ist spektakulär. Enge Canyons mit Stromschnellen der Kategorie 3-4 wechseln sich mit ruhigeren Abschnitten ab. Außerdem fangen wir Regenbogenforellen zuhauf. Nur sind die Fische am Oberlauf nicht besonders groß – nach alaskischen Maßstäben wohlgemerkt, denn zu Hause hat gegen 45er-Forellen sicher niemand etwas einzuwenden.

Am Ende des Tages steuern wir eine Uferbank an, wo wir an einer ebenen Stelle die Zelte aufschlagen. McKinley hat sich eine 44er- Magnum vorn in die Wathose gesteckt. Damit kann er zwar nicht die Myriaden Blutsauger erschießen, die uns quälen, aber immerhin einen Bären, sollte der zu neugierig werden. Wenigstens hilft der Rauch unseres Lagerfeuers, die Moskitos auf Distanz zu halten. Während wir uns frisch gefangenen Saibling schmecken lassen, erzählt uns Nate, dass er früher Fliegenfischer-Guide am Deschutes in seiner Heimat Oregon war und als Englisch- Lehrer und Highschool-Basketball-Coach arbeitete. „Meine Frau Holly und ich träumten jedoch immer davon, eine eigene Lodge in Alaska zu haben.“ Als er 2021 erfuhr, dass die berühmte Royal Wolf Lodge einen Nachfolger braucht, zögerte er nicht lange, ist inzwischen deren Miteigentümer und Manager. Die 1994 von Chris und Linda Branham gebaute Luxusherberge liegt in traumhafter Lage inmitten des Katmai-Nationalparks und darf sich rühmen, ihren Gästen den mit 48 Hektar größten privaten Grundbesitz in allen US- amerikanischen Nationalparks und Schutzgebieten zu bieten. Jeden Tag geht es mit der hauseigenen Flotte an Wasserflugzeugen zu verschiedenen Flüssen zum Fliegenfischen. Die Regenbogenforellen, die hier regelmäßig an den Haken gehen, gehören zu den größten des Planeten und sind der Traum jedes Petri-Jüngers. Nate und Holly haben den Sprung ins kalte Wasser nicht bereut. Jetzt leben sie im Sommer mit ihren beiden Mädchen im Busch und sehen fünf Monate lang kein Auto, keine Straße. „Wenn wir im September nach Anchorage zurückfliegen, dauert es ziemlich lange, bis wir uns wieder zurechtfinden in dem, was die Menschen Zivilisation nennen“, erzählt er.

Der nächste Tag wird einer der besten meines Fliegenfischer-Lebens. Wir haben den American abermals ganz für uns allein und finden einen lang gezogenen, tiefen Pool, in dem eine wahre Fressorgie stattfindet. Keine Sekunde vergeht, in der nicht mindestens drei Rainbows gleichzeitig steigen. Und sie sind richtig wild auf unsere Trockenfliegen. Fast jeder Wurf lockt eine Forelle an die Oberfläche. Und was für Fische das sind! Kaum eine ist kürzer als 45 Zentimeter, die längsten bringen es auf 60 und mehr. Sind 50, gar 100 Forellen in dem Pool? « (…)

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