Wo Hollywood den Mars doubelt
Text & Fotos: Malte Clavin
Sengende Hitze, endlose staubige Weiten und raue Felsmassive: Eine viertägige Wüstenwanderung im jordanischen Tal des Flugsandes ist nichts für schwache Gemüter.
„Sechsundzwanzig Mal habe ich Matt Damon gefahren.“ Während Raed Suleiman den Jeep über eine schnurgerade, sandige Piste steuert, in Richtung einer der wohl großartigsten Felslandschaften dieser Erde, tätschelt er lachend den Beifahrersitz. „Genau da, wo du jetzt sitzt.“ Meinem Reisebegleiter Paul kommt diese Ehre zuteil. Ich sitze mit zwei Mitreisenden auf der Rückbank.
Raed ist einer dieser Menschen, die einen schnell in den Bann ziehen. Ich weiß nicht, wie oft er sein Wissen und seine Anekdoten schon erzählt hat, es ist ihm nicht anzumerken. Alles sprudelt herrlich frisch und lebendig aus ihm heraus. Vor ein paar Jahren arbeitete Raed als „Fixer“, eine Art Allround-Talent für den Hollywood-Film „Der Marsianer“, in dem Matt Damon die Hauptrolle spielt.
Welcome to Wadi Rum. Ein verwittertes Blechschild am Rande der schnurgeraden Piste begrüßt uns. Hinter einem Hügel breitet sich jenseits einer sandigen Ebene ein rötlich-braunes Felsengeflecht aus. Biblisch, episch, Demut einflößend. Wir rumpeln weiter über die Wüstenpiste. Vor einer Felswand können wir ein paar Punkte ausmachen. Minuten später fügen sich die Punkte zu unserer Karawane zusammen: Wüstenführer Samer Abudagga, die Beduinen Abu Yousef, Ataallah und Nayef, fünf ausgewachsene Kamele und das vier Wochen alte Kamelbaby Coco. Vier Tage Wüstenwanderung liegen vor uns. Zwischen felsigen Inseln wollen wir unsere Zelte aufschlagen und Einblicke in das Leben der Beduinen gewinnen.
Die erste Tagesetappe hat es schon in sich: Sechs Stunden latschen wir durch den Sand. Wer müde ist, kann sich auf einem Kamelrücken durchschütteln lassen. Unsere Karawane bewegt sich auf der historischen Handelsroute, die über tausend Jahre lang Jerusalem mit Mekka verband. Ich bitte Raed, mir ein paar Worte auf Arabisch beizubringen. „Wasalna ist ein Ausdruck für Freude. Den kannst du in den nächsten Tagen bestimmt anwenden“, sagt er und klopft mir auf die Schulter. Skeptisch ziehe ich eine Augenbraue hoch. Raed erklärt weiter: „Wadi Rum, das bedeutet Tal des Flugsandes.“ Das kann ich bestätigen. Der Wind weht unablässig und treibt Sandkörner vor sich her. Wadi Rum kommt mir vor wie ein endloser Strand, an dem man vergeblich nach Wasser sucht. Turmhohe Sandsteinblöcke und erodierte Granitfelsen scheinen wahllos liegengeblieben zu sein. Ihre Furchen, Schichten, Auswölbungen und Absätze regen meine Fantasie an. Mein Geist gaukelt mir Fabelwesen, schmelzendes Schokoladeneis und futuristische Wohnanlagen vor.
72% von Jordaniens Landfläche besteht aus Wüste. Davon nimmt Wadi Rum ein Areal von etwa 100 km Länge und 60 km Breite ein. Unmengen von Eisen ist hier oxidiert und hinterließ den besonderen, roten Farbton des Sandes. So muss der Mars aussehen. Oder andere Wüstenplaneten. Das dachten sich auch viele Hollywood-Produzenten und (…)
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