Ritt auf der Rasierklinge
TEXT: Andreas Sawitzki
FOTOS: Andreas Sawitzki, Biotherm
60.000 Kilometer Lebensgefahr. 60.000 Kilometer höchste Anspannung. 60.000 Kilometer null Privatsphäre. Trotzdem oder gerade deshalb strahlt das Ocean Race eine extreme Faszination aus. Wir haben den französischen Supersegler Paul Meilhat auf seiner Biotherm Imoca am Startort des Ocean Race in Alicante getroffen und erfahren, welche Gefahren auf einer Weltumseglung lauern und warum eine Rennyacht kein…
In den weiten Ozeanen der Imoca-Klasse schreibt Paul Meilhat seine eigene Erfolgsgeschichte. Als Wunderkind der Segelwelt erreichte er in der Vergangenheit mit geringem Budget beeindruckende Ergebnisse und begeisterte als Co-Skipper in Zweihand-Rennen immer wieder mit enormer mentaler Stärke. Der Route-du-Rhum-Sieg im Jahr 2018, der zweite Platz beim Transat Jacques Vabre 2020 und seine spektakuläre, wenn auch nicht beendete Vendée-Globe-Teilnahme sind nur einige Beispiele für sein großes Talent. Beim Ocean Race ist er nicht nur der Dirigent einer der modernsten Segelyachten der Welt, er hat sie auch noch mit entwickelt. Und das in Rekordzeit. „Wir hatten eine Bauzeit von acht Monaten, normalerweise muss man für den Bau eines solchen Bootes mindestens ein Jahr rechnen. Das war eine große Herausforderung“, verrät uns Paul, als wir ihn beim Start in Alicante treffen. „Der Trick: Die Biotherm ist nicht komplett neu konstruiert, wir haben als Grundlage die Form eines anderen französischen Bootes genommen. Dadurch konnten wir viel Zeit und Kosten sparen, außerdem unseren Carbon-Footprint verringern.“
Überarbeitet wurden Bug und Heck sowie die beiden sogenannten Foils, die Tragflächen links und rechts des Rumpfes. Dünn wie überdimensionale Rasierklingen ragen sie gebogen ins tiefe Blau, um das Boot ab 12 bis 14 Knoten Wind aus dem Wasser zu heben und es in eine extrem schnelle Gleitfahrt zu versetzen. „Das Boot ist besonders leicht und einfach zu bedienen, ich kann es auch allein segeln, wie bei der letzten Route du Rhum“, erzählt Paul weiter, „da konnte ich mich auch vom unglaublichen Potenzial überzeugen!“
DIE BOOTE
Unglaublich sind die Boote der Imoca-Klasse tatsächlich. Es sind pure Speed-Boliden, Hightech-Monster, puristisch und gewichtsoptimiert bis zum Gehtnichtmehr, extrem teuer und exklusiv. Die Formel 1 der Rennyachten. Viele Millionen werden in den Bau der Superracer gesteckt, um das Maximum herauszuholen. Die Länge ist auf 60 Fuß (18,28 Meter) begrenzt, woher auch der Name Imoca 60 herrührt. In der Welt der Imocas gibt es strenge Regeln und Vorschriften, die darauf abzielen, ein sicheres und faireres Wettrennen zu gewährleisten. Eine dieser Regeln be-
schränkt die Höhe des Mastes auf maximal 29 Meter, die Bootsbreite auf 5,85 Meter und die Tiefe des Kiels auf höchstens 4,50 Meter. So soll ein „Wettrüsten “ unterbunden werden, bei dem die Teilnehmer immer größere und leistungsstärkere Boote bauen, um einen Vorteil zu erlangen. Ein weiteres wichtiges Merkmal ist der Ballast im Kiel. Er kann elektro-hydraulisch verlagert werden, um das Boot auf Kurs zu halten und eine optimale Leistung zu erzielen. Der Winkel des Schiffes ist ebenfalls begrenzt, auf bis zu 38 Grad nach Steuerbord oder Backbord. Diese Begrenzungen sorgen dafür, dass das Segeln sicherer und fairer bleibt und dass Skipper und Crew immer noch genug Raum haben, um ihre Leistung zu zeigen.
THE OCEAN RACE
Das Ocean Race findet bereits zum 14. Mal statt, fünf Imoca-Teams gehen in diesem Jahr an den Start. Die Route beginnt mit einem 1.900 Seemeilen-Sprint von Alicante zu den Kapverden, einem ersten Halt auf dem afrikanischen Kontinent. Die zweite Etappe führt die Flotte über den Äquator nach Kapstadt, einem bereits zum 12. Mal besuchten Zwischenstopp und dem ersten von drei Haul-out-Stopps zur Wartung der Boote. Es folgt eine besonders anspruchsvolle Etappe, die längste Renndistanz in der 50-jährigen Geschichte der Veranstaltung, ein einmonatiger Marathon über 12.750 Seemeilen nach Itajaí, Brasilien. Diese Etappe führt die Segler durch die berüchtigten Roaring Forties und Furious Fifties des Südpolarmeeres« (…)
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