KLIPP, KLIPP, HURRA

Auch Anfänger trauen sich auf Mallorca zum Bouldern in die überhängenden Felsen. Wer abstürzt, geht hier nur baden – im warmen Mittelmeer. So ist die Insel zum Paradies der Deep-Water-Solo-Szene geworden. Ein weiterer Grund ist der Argentinier Sebastian Alvarez, der den Kletterspaß hier professionell etabliert hat.

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TEXT: Gero Günther  / FOTOS: Peter Neusser

Das Meer hat eine Punk-Platte aufgelegt. Joel Kruse und seine Kletterfreunde stehen an der Steilküste im Osten Mallorcas und schauen den Wellen beim Austicken zu. Blau wie ein Eisbeutel schimmert das Wasser unter ihnen.

»Krass«, sagt der muskulöse 34-Jährige, als er sich die Hände mit Magnesiumstaub pudert. Das tiefe Grollen ist tatsächlich ziemlich Respekt einflößend. Und dann steigt Joel in die Klippe hinunter. Über ihm tut sich eine Grotte auf, zehn Meter unter ihm tobt das Meer. »Attack of the Spindly Killer Fish« heißt die Route, die er und seine Clique sich ausgesucht haben. Eine 7a+ auf der bis 9c zählenden Schwierigkeitsskala.
Seit dreieinhalb Jahren bouldert der Wirtschaftsinformatiker. Früher ausschließlich indoor. »Ist schon was ganz anderes hier als in unserer Kletterhalle in Oldenburg«, sagt er. Joel ist zum ersten Mal beim Klippenklettern auf Mallorca dabei. Die anderen kommen regelmäßig und wissen schon gut Bescheid auf der Insel. An diesem stürmischen Tag haben sie sich für die »Virgin Area« in der Cala Sa Nau entschieden, eine S-förmige Bucht an der Ostküste. Deep Water Soloing oder spanisch Psicobloc heißt diese Art des Kletterns. Ohne Sicherung werden teilweise extreme Überhänge direkt über dem Wasser gemeistert. Wer abstürzt, fällt ins Meer. So lassen sich auch extrem schwierige Routen frei klettern.

Das Meer wird es schon richten. Nur tief genug muss es sein.
Jetzt klettert Joel Kruse zum ersten Mal in seinem Leben komplett über Kopf. Er wird von seinen Freunden angefeuert. »Sehr schön!«, rufen sie, als er in den Überhang kommt, und: »Rechts, rechts, rechts!«, um ihn auf den nächsten Griff hinzuweisen. »Genau so!« Ein paar Minuten später hat er es geschafft. Joel strahlt über das ganze Gesicht. »Da schoss ganz schön das Adrenalin durch die Adern«, sagt er. Das Klippenklettern sei vor allem eine Kopfsache. »Zum Glück nimmt dir das Wasser die Angst vor dem Fallen.«


Ein paar Meter weiter hängt Sebastián Álvarez kopfüber an einer Felsnase, das Bein über sich in die Wand geklemmt. Unter ihm krachen die Brecher gegen den Kalkstein. Dann schwingt er seinen Oberkörper nach oben, findet mit der zweiten Hand den Griff und steht plötzlich wieder an der Steil- kante. »Heute ist nicht viel los hier«, sagt Sebastián, einer der Pioniere des Deep Water Soloing und Betreiber des Unternehmens Rock & Water. »Nicht jeder mag bei dem Wellengang in die Wand gehen.« Ein guter Schwimmer müsse man schon….