Höllische Rekordjagd im Land der Nomaden
TEXT & FOTOS: Jens Vögele
Extremsportler Guido Kunze hat die Mongolei in weniger als sechs Tagen von West nach Ost mit dem Fahrrad durchquert und damit einen Rekord für das Guinness-Buch der Rekorde aufgestellt. Aber einem der verrücktesten Typen der Szene geht es um viel mehr als um sportliche Höchstleistungen.
Nach genau 606 Kilometern steht Guido Kunze vor dem Aus. Er hat heftigen Durchfall und muss sich ständig übergeben. Völlig entkräftet steigt er von seinem Mountainbike, und sein Entschluss scheint unumstößlich. „Ich fahr keinen Meter mehr“, sagt der Extremsportler. Sein Weltrekord-Projekt, mit dem Fahrrad als Erster die Mongolei von West nach Ost zu durchqueren, scheint beendet, bevor es richtig angefangen hat.
Ein Jahr lang hat er sich voller Akribie auf dieses Projekt vorbereitet. Einer wie Guido, der schon das Race Across America als Solist bezwang, die 217 Laufkilometer des Badwater-Marathons in der brütenden Hitze des Death Vallye überstand oder 24 Stunden am Stück insgesamt 61.100 Rolltreppenstufen hochrannte, nimmt nichts auf die leichte Schulter. Und dennoch sieht das Mongolei-Projekt mit seinen 2.060 Kilometern auf den ersten Blick für ihn fast wie ein Kinderspiel aus.
Das Land und seine Menschen haben ihn gereizt, vor allem, nachdem sein Freund Markus Loch in die mongolische Hauptstadt Ulaanbaatar gezogen war, sich dort schnell ein riesiges Netzwerk aufgebaut hat und so die Idee reifte, von der russischen bis zur chinesischen Grenze einen Rekord fürs Guinness-Buch aufzustellen. Guidos vierten. Dass er hier alles bekommt, was ein Sportler für ein solches Projekt braucht, merkte Guido schnell: Unterstützer, Sponsoren, Menschen, die mit Begeisterung an einem Strang ziehen und helfen, wo sie nur können. „Als wir angefangen haben, die Leute hier für die Sache zu begeistern“, schildert er seine Erlebnisse, „sind immer mehr dazugekommen – und irgendwann wurde es fast zum Selbstläufer.“
Schon der Empfang am Flughafen verläuft frenetisch. Guido Kunze, dessen Verrücktheit deutlich größer ist als seine Bekanntheit zu Hause, genießt in der Mongolei fast schon Superstar-Status. Das Medienecho ist gewaltig. Bei der Pressekonferenz in Ulaanbaatar reißen sich Journalisten und Kamerateams darum, ein paar O-Töne des Thüringers zu erhaschen. Aber jetzt, nach genau 30 Stunden Fahrt ziehen alle Beteiligten ziemlich lange Gesichter.
#Guidos Zustand ist so miserabel, dass er alles, was er zu sich nimmt, sofort wieder von sich gibt. Energie zu tanken für die Strapazen, die noch warten? Unmöglich! Als die Sonne aufgeht, ist sein Gesicht ausgemergelt. Sein Blick leer. Und plötzlich sagt er voller Entschlossenheit: „Weiter geht’s!“ Es ist eine der größten sportlichen Krisen, die Guido bei all seinen Projekten jemals erlebt hat. Aber er ist wild entschlossen: „Ich kann hier nicht aufgeben“, sagt er und vertraut darauf, dass ihn der Enthusiasmus der Mongolen durch diese schwierige Phase trägt.« (…)
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