Hoch und Heilig
TEXT: Anton Rieger
FOTOS: Florian Wagner
Warth-Schröcken ist das tiefste Schneeloch am Arlberg – und in ganz Europa. Beste Voraussetzungen also für unendliche Variantenabfahrten im Powder. Oder für eine Freeride-Skitour wie vor 130 Jahren. Der Warther Skiprofi Alois Bickel wandelt mit drei Buddys auf den Spuren eines Skipioniers, der 1894 mit dem Segen von ganz oben unterwegs war.
Tief Luft holen, Backen zusammen und rein ins Weiß! Alois lässt das Gipfelkreuz des Warther Horns und seine drei Freunde über sich zurück und schießt den Hang hinunter, dass der Schnee nur so staubt. Frau Holle muss ein besonderes Faible für Warth-Schröcken haben. Anders ist dieser steile Traum in Pulverform nicht erklärbar. Jeden Winter fallen die Flocken massig am Arlberg. „Wir haben hier oben am Hochtannbergpass sieben Monate lang eine geschlossene Schneedecke“, sagt Fritz Schlierenzauer, der seit Jahrzehnten die Schneehöhen misst. Zwischen November 1998 und Ende April 1999 dokumentierte der Seniorchef des Berghotels Körbersee kumulierte sechzehn Meter fünfzig. Das ließ die ruhige Nordseite des Arlbergs zur Nummer eins der schneereichsten Orte Europas rieseln. Noch vor den berühmten Nachbarn Lech und St. Anton. Unglaublich, aber Warth! Perfekte Rahmenbedingungen also für einen Tag unvergesslichen Tiefschneetauchens mit den Besties. Aber davon später mehr.
Warth hat 172 Einwohner. „Mal einen mehr, mal einen weniger“, sagt Alois Bickel und lacht herzerfrischend. Alois ist einer von ihnen. Wie es sich für ein kleines, sieben Monate lang weiß gestrichenes Walserdorf gehört, fährt hier jeder Ski. Auch Alois. So gut, dass er bei der Freeride World Tour, der Weltmeisterschaft der Powderakrobaten, mitfuhr und im Jahr 2006 Achter wurde. Aber Warth ist nicht nur die Heimat von Weltklasse-Freeskiern, sondern auch von Weltklasse-Alpinen. „Bei uns kommt auf 57 Einwohner ein Olympiamedaillengewinner“, sagt Alois. Wiltrud Drexel (1972), Hubert Strolz (1988) und sein Sohn Johannes Strolz (2022) haben Olympiamedaillen daheim im Wohnzimmer liegen. Diese Olympiasiegerdichte macht dem winzigen Walserdorf Warth garantiert keiner nach! Eine Olympiamedaille hat Alois Bickel zwar nicht, aber als Obmann vom Skiclub trainiert er vielleicht einen zukünftigen Olympioniken. Heute nutzt der staatlich geprüfte Skilehrer und Skiführer einen seiner wenigen freien Tage im Winter, um mit seinen alten Ski-Buddys, darunter Adidas-Athletin Caja Schöpf und Freeride-Profi Roman Rohrmoser, auf eine Skirunde zu gehen, die alles, außer gewöhnlich ist: die „Pfarrer-Müller-Tour“.« (…)
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