x7 Beste Leben

Text & Fotos: Michael Neumann
Und täglich grüßt das Murmeltier. Wer über Aeroski Reisen eine Woche Heliskiing bei CMH in Kanada bucht, muss sich immer wieder aufs Neue kneifen. Passiert das gerade wirklich? Ein perfekter Tag folgt auf den anderen – unbegrenzte Höhenmeter im besten Tiefschnee inklusive.
Toni winselt um Gnade. Hätte er doch vorher mal ein bisschen Skigymnastik vor dem Fernseher gemacht. Dem passionierten Skifahrer, der sich ab und an sogar als Skilehrer verdingt, brennen die Oberschenkel. Schwarze Pisten gut und schön, doch diese 30 Zentimeter Neuschnee im lichten kanadischen Tannenwald fordern ihren Tribut.
Veit Erben, Geschäftsführer von Veranstalter Aeroski und Begleiter auf unserer Reise zu CMH in die Gothics-Lodge, bringt es dann auch auf den Punkt. »Ein Heliskifahrer braucht genau drei Dinge: Kondition, Kondition und Kondition.« Eine nicht perfekte Technik wird mittlerweile durch breite Ski mit hoch aufgebogenen Skispitzen weitestgehend ausgeglichen, und auch das unverspurte Gelände mit seinem butterweichen Schnee ist alles andere als ein Endgegner. Doch wem schlicht der Saft fehlt, der muss angesichts des täglichen Pensums hier in den Selkirk-Mountains schnell die Segel streichen.
Und klar, auch dem Wald muss Tribut zollen, wer seine Hausaufgaben nicht gemacht hat. Es ist Mitte Januar und das Wetter zu dieser Zeit gern von Tiefdruck gepägt. Das bedeutet viel Schnee, aber wenig Sicht. Und ist nachrutschender Schnee die Rettung enorm verkomplizieren kann. Daher gilt hier bei CMH die eherne Regel, dass beim Treeskiing immer mindestens zwei Skifahrer Sichtkontakt miteinander halten müssen. die Sicht schlecht, schlägt die Stunde des »Treeskiing«. Pilot wie Skifahrer brauchen den Kontrast der Bäume, um sich zu orientieren. Und wem sich dann eine ausgewachsene Douglasie in den Weg stellt, sollte auch nach 300 Höhenmetern nonstop noch auf seinen Bremsschwung vertrauen können. Ansonsten droht der sogenannte »tree well«. Diese »Baumgrube« lauert unter eingeschneiten Nadelbäumen und kann zur Falle werden, wenn man kopfüber hineinstürzt, ohne dass sich die Skibindung löst. Wie sowas vonstaten geht, hat uns Lead Guide James vorhin eindrücklich demonstriert, indem er sich in einer Pause absichtlich hineinplumpsen ließ. Selbst das Helfen will gelernt sein, da nachrutschender Schnee die Rettung enorm verkomplizieren kann. Daher gilt hier bei CMH die eherne Regel, dass beim Treeskiing immer mindestens zwei Skifahrer Sichtkontakt miteinander halten müssen.
ENDLOSE MÖGLICHKEITEN IN DER HALBEN SCHWEIZ
CMH steht für Canadian Mountain Holidays und wurde 1965 vom Österreicher Hans Gmoser gegründet. Zwar hatten schon zuvor in den 1950er Jahren erste Skifreaks mit dem fliegenden Skilift herumexperimentiert, Gmoser aber war es, der Heliskiing perfektionierte und ein professionelles Business daraus machte. Bis heute funktioniert Heliskiing weltweit so, wie es Gmoser vor mehr als 50 Jahren austüftelte. Einer seiner Schlüssel, um die Kosten niedrig und den Spaß hoch zu halten, ist die sogenannte Rotation. Hier in der Gothics Lodge teilen sich drei Gruppen einen Bell 212. Dieser seit Jahrzehnten bewährte Helikopter fasst bis zu elf Gäste, und so kann der Pilot bei den einzelnen Abfahrten Loops fliegen und die Gruppen nacheinander hochschaufeln, ohne die Turbine einmal abstellen zu müssen. Im Vergleich zum Bau und Betrieb eines Skigebiets ist der ökologische Fußabdruck eines Helitages somit vertret- und kompensierbar, wenn man bedenkt, dass pro Flugstunde 33 Skifahrer glücklich gemacht werden, der Stundenverbrauch eines Bell 212 bei 360 Litern liegt und täglich etwa drei Stunden geflogen wird.
Heute gehören elf Lodges zu CMH, allesamt in den endlosen Bergen British Columbias gelegen. Zusammengenommen ist das befahrbare Gebiet halb so groß wie die Schweiz. Doch statt fast neun Millionen Eidgenossen hat es hier in den Rocky Mountains auf einer Landfläche so groß wie Deutschland, Frankreich und besagter Schweiz zusammen nicht einmal fünf Millionen Einwohner – und die wenigsten davon leben in den Bergen.
Viel Platz also für tausende Abfahrten fernab jeglicher Zivilsation. Wie diese »gepflegt« werden, erklärt uns am Abend CMH- Head-Guide Pete Murray. Bevor der Heli jeden Morgen abhebt, trifft sich die gesamte Crew im »Situation Room« zur Lagebesprechung. Dort sind alle Entwicklungen der Saison in Form von Schneeprofilen und Wetterdaten archiviert und werden mit den aktuellsten Messwerten in Einklang gebracht. Wie war der Wind über Nacht, wie die Temperaturkurve, gab es Niederschlag? Und wenn ja, wieviel? Zu diesem Zwecke betreibt man sogar eigene Messstationen verteilt über das gesamte Gebiet, die es nun auszuwerten gilt. Es gibt eine Standleitung zu den anderen Lodges und sogar andere Heliskianbieter legen ihre Karten auf den Tisch, so dass man ein möglichst scharfes Bild von der aktuellen Schnee- und Wettersituation bekommt. Die Abfahrten selbst sind alle digitalisiert und von Top-to- bottom durchfotografiert, so dass auch neue Guides schnell ein Gespür für das Gelände und die Möglichkeiten bekommen. Sind alle im Bilde, wird gemeinsam entschieden, welche Abfahrten heute auf die To-do-Liste kommen. Und hat nur einer der bis zu zehn Guides ein ungutes Gefühl bezüglich der getroffenen Entscheidungen, ist sein Veto bindend.
RÜCKZUG IN DIE WELLNESS-OASEToni hat genug. Obwohl am Nachmittag noch drei, vier Abfahrten anstehen, lässt er sich nach dem Mittagslunch, welcher stilecht von den Guides mitten auf einer Waldlichtung kredenzt wurde, zurück zur Lodge mitnehmen, da der Heli …